Philosophie

Einer großen Welle gleich scheint die westliche Kultur und Denkensart unsere Welt zu erobern. Wir Menschen feiern laufend große Erfolge bei der Beherrschung, Erforschung und Nutzung des Materiellen. Doch allen Entwicklungen und allen Fortschritt zum Trotz gibt es in uns noch immer Unruhe. Eine Lücke klafft, die allerdings nicht materiell gefüllt und geschlossen werden kann.

Hier finden Sie laufend eine kleine Auswahl an philosophischen Geschichten, Dialogen und Anekdoten aus dem Buch "Leben, Lebensweisheiten aus Vietnam" von Le Truong Minh. Wir werden in unregelmäßigen Abständen diese Auswahl aktualisieren. Es lohnt sich also öfter vorbeizuschauen.

Einleitung

Vorwort zum besseren Verständnis der Geschichten

Dieses Buch ist eine Kooperation vieler Menschen. Manche leisteten ihren Teil in Form als Darsteller in den vielen Gesprächen, die hier wieder gegeben werden und andere halfen bei der Gestaltung und Formulierung der Texte. Zweites war insofern notwendig, da die deutschen Originaltexte aus der Feder Le Truong Minh´s, eines gebürtigen Vietnamesen, stammen und somit einer sprachlichen Korrektur bedurften.

An dieser Stelle lohnt es sich auf grundlegende Unterschiede in der vietnamesischen und deutschen Sprache hinzuweisen, um besseren Zugang zum Stil dieses Buches zu erlangen. Es gibt nicht nur Unterschiede in der Sprache, sondern somit auch zwingender Weise in Kultur und Lebensweise beider Länder. Auch spielt die grundlegende Thematik dieses Buches eine wichtige Rolle bei der Wahl der Mittel. Ein Hauptunterschied der deutschen und vietnamesischen Sprache liegt darin, dass das vietnamesische eine Einsilben- und Lautsprache ist. Das bedeutet, dass so gut wie alle Wörter nur eine Silbe umfassen, was wiederum Folgen für den Ausdruck komplexerer Wörter und Strukturen nach sich zieht. Auch findet das alltägliche Leben in Vietnam in einen weitaus geselligeren und öffentlicheren Rahmen statt als in Deutschland gewohnt und verlangt so mit von jedem Einzelnen mehr Zurückhaltung persönlicher Interessen und Meinungen. Dies bedeutet, dass beim Lesen dieser Texte vor allen eine Bemühung für einumfassenderes Verständnis der Worte und die Besinnung zu einem aufrichtigen Verständnis, der zum Teil wohl schlicht anmutenden Formulierungen und Gegebenheiten, von Nöten ist. Das zentrale Thema dieses Buches ist das Suchen, Finden, Durchdringen und Wahren des eigenen natürlichen Selbst. Das Führen einer gesunden Lebensweise wird als praktische Anwendung dieses Suchens, Findens, Durchdringens und Wahrens im alltäglichen Geschehen dargelegt. Deshalb sollten wir uns nicht darüber wundern, wenn in manchen Geschichten Dinge oder Tiere Unterhaltungen führen. So lag eine große Herausforderung für uns immer wieder darin die Balance zwischen korrekten Deutsch und der Authenzität der Quelle und deren Geist zu finden. Bei dies allem, allen Geschichten, allen Seltsamkeiten der Personifizierung von Gegenständen und Begriffen und so manchem unserer Sprachgewohnheit widerstrebenden Ausdruck, sollten wir zunächst unserer nahe liegendsten Intuition folgen und einen Moment inne halten um dem interessierten Geist in uns nachzugeben. Wir sollten versuchen unser Verständnis bekannter Worte und Begriffe zu erweitern und rätselhaftes zunächst nur nur als es selbst in dessen Wirkung bestehen zulassen. So können wir uns selbst offener für das gestalten was Titel gebend für dieses Buch ist und niemals in Begriffen sein Geheimnis preis geben wird, sondern eben nur in diesen Momenten rätselhaften Erstaunens und dem Eingestehen zu früh zu viel gewusst zu haben.

Wir hoffen, dass es uns mit diesem Buch gelingt die innere Lücke der Menschen heutzutage etwas zu füllen.

Vorwort des Autoren

Eine kurze Erklärung über den Begriff "das Dao".

Was ich erkenne, ob unsichtbar (formlos) oder sichtbar (Form), beides ist Materie und ist wohl von der Natur erschaffen worden. Die Natur ist das eigentliche Selbst. Weil dieses Selbst sich ohne äußere Bedingungen selbst erzeugen kann und nur die Natur aus sich selbst entsteht, ist es ewig, unveränderlich.

Alle Geschöpfe kommen aus der Natur und werden durch sie genährt. Folglich heißt das, dass alle Geschöpfe Teil der Natur sind und somit auch ewig. Wir nennen ein Ding nur als ein einzelnes Ding, weil unsere Sinneswahrnehmung unvollkommen ist. Deshalb schaffen wir Trennungen in der Welt. Obwohl wir gezwungen sind die Dinge als einzelnes zu begreifen, sollten wir aber dennoch wissen, dass alle Dinge über eine eigene Natur verfügen. Hätten sie keine eigene Natur, woher kämen sie dann? Es könnte nämlich keine Bildung der Dinge statt finden. Der Mensch ist auch ein Ding, darum hat auch er eine eigene Natur um zu existieren. Wenn wir einen Menschen oder ein Ding sehen, sollten wir zu deren eigene Natur durchdringen. Durchdringe ich ein Ding, finde ich seine eigene Natur. Finde ich seine eigene Natur, finde ich sein Selbst. Zu ihrer Entstehung brauchen die Geschöpfe einen entsprechenden Lebensraum. Dieser Lebensraum wiederum benötigt auch eine weitere Umwelt. Diese Umwelt wiederum ist Teil einer weiteren, einer größeren Umwelt, bis wir letztendlich eine Umwelt oder einen Raum erhalten, welcher alle Geschöpfe beinhaltet und umfasst. Diese größte Umwelt vereinnahmt den gesamten Raum. Wollen wir nun ein Ding bis hin zur Unteilbarkeit zerlegen, entdecken wir, dass die Dinge bloß eine Erscheinung in diesem all umfassenden Raum sind. Wie ist der Raum wirklich? Der Raum ist die Mutter aller Geschöpfe, er ist das Dao. Warum nenne ich den Raum „Dao“? Weil er beständig und unveränderlich Anfang und Ende aller Geschöpfe zugleich ist. Aber warum kann ich das so bestimmen? Weil ich denke und Vorstellungen entwickle, doch sind mein Denken und meine Vorstellungen absolut richtig? Ich muss sie genauer untersuchen und ich beobachte sie bis zu ihrem Ursprung. So entdecke ich, dass sie auch Erscheinungen sind, die auch im allumfassenden Raum auftreten. So habe ich verstanden, dass das Denken (die Gedanken), welches ich fälschlicherweise lange Zeit für mein „Ego“ gehalten habe, nur eine Erscheinung im allumfassenden Raum (Dao) ist.

Obwohl wir über unsere eigene Ewigkeit wissen, leben wir nicht mit ihr. Warum? Weil wir noch für unser Ego („Ichheit“) arbeiten müssen. Aber womit erkennen wir diese „Ichheit“? Wohl durch unsere sechs Sinne (sehen, riechen, fühlen, hören, schmecken und Bewusstsein). Nur diese sechs Sinne benötigen immer ein Objekt. Zum sehen brauche ich eine Form, zum hören benötige ich einen Ton usw. Sogar mein Denken verlangt nach einem Objekt, wie „ich denke an…“. So ist mir bewiesen, dass das Erkennen meiner „Ichheit“ mit den sechs Sinnen nur relativ und unwirklich ist, weil die „Ichheit“ selbst bereits immer veränderlich ist. Für die Wissenschaftler ist die „Ichheit“, wie die Quanten. Da die „Ichheit“ nicht aus sich selbst entstanden ist, ist sie unwirklich. Dennoch leben, sorgen, arbeiten und wollen wir Gewinn für unsere Unwirklichkeit erlangen. Ob das nicht gegensätzlich ist? Das ist die Ursache, weswegen wir leiden. Wir möchten in der Unwirklichkeit gänzlich zur Entfaltung kommen. Jeder Mensch ist mit seinem Ego eine Erscheinung, welche in seiner eigenen Ewigkeit (Natur) entsteht. Dieses Leben bedeutet für uns eine große Gelegenheit, um uns als Menschen zu erkennen, aber wir entscheiden uns dagegen unsere eigene Natur (Ewigkeit) zu entdecken. Doch nach wie viel Zeit werden wir nochmals eine solche Chance erhalten? Lebt man mit seiner eigenen Ewigkeit, lebt man im Dao. Dafür zu sorgen zu seiner eigenen Natur zurückzukehren ist zuträgliche Sorge. Ob Sorge der Unwirklichkeit willen nicht dumm ist? Der von seiner Natürlichkeit getrennte Mensch ist wie ein entwurzelter Baum. Erst wenn der Baum wieder Wurzeln schlägt, kann er wieder leben.

Dieses Buch ist aus unseren Unterhaltungen entstanden und jede Unterhaltung sollte eine Geschichte zum besseren Lebensverständnis. So können wir das Leid und die Probleme in unserem täglichen Leben überwinden, um unsere eigene Natürlichkeit (Dao, Wirklichkeit, Ewigkeit) wieder zu finden und mit ihr leben

Geschichten

Die Tante

Was seit Urzeiten für das Leben wichtig ist, ist den Menschen nicht bewusst. Viel mehr noch hat etwas, je wichtiger es für das Leben ist, auch weniger Aufmerksamkeit der Menschen. Zum Beispiel: Am wichtigsten ist das natürliche Selbst, als zweites die Luft (Atem), drittens das Trinkwasser und schließlich viertens die Nahrung.Minh`s Tante besucht heute die Familie, sie möchte die Stadt besichtigen und vielleicht nach dem Besuch mit ihrer eigenen Familie aus dem Dschungel in die Stadt umziehen. Nach der Besichtigung fragt Minh seine Tante.Minh: „Gefällt Dir die Stadt?“Tante: „Ich weiß nicht, wie man in der Stadt bloß leben kann. Ich bin etwa erst seit einer Stunde hier und mein Kopf möchte explodieren, weil mir immer die volle Leistung des Bewusstseins abverlangt wird. Die Stadt ist mir zu laut und ich finde, dass sich mein Atem sehr schlecht anfühlt.“

Minh: „Weil Du das Leben in der Stadt noch nicht gewöhnt bist. Aber keine Sorge, wenn Du hier erst einmal ein paar Monate gewohnt hast, wird Dir das Leben in der Stadt sehr gut gefallen.“

Tante: „Es wundert mich zu hören, dass die Leute, die in der Stadt wohnen, wohl gar nicht bemerken, dass die Stadt sehr schlecht für Ihr Leben ist?“

Minh: „Ja, weil sie es schon so gewöhnt sind. Genauso, wie wenn ich Chili esse ich es anfangs unerträglich scharf finde, dann nicht mehr ganz so schlimm und jetzt esse ich Chili wie Salat.“

Die Tante: „Findest Du, dass der Chili nicht mehr scharf ist, oder ist Chili einfach nur nicht mehr für Dich scharf? Deine Zunge ist wohl schon vom Chili kaputt gemacht worden.“

Minh: „Oder willst Du weiter im Dschungel in Armut leben. Siehst Du, die Leute in der Stadt sind viel reicher als Du, sie haben sehr viele moderne Besitztümer. Und Du?“

Die Tante: „Viel Besitz mag für das alltägliche Leben gut sein, aber man wird dabei sein natürliches Selbst immer mehr verlieren. Ich bin arm, aber nicht leidend, weil ich mit meinem natürlichen Selbst lebe. Allerdings ohne großen Besitz, sonst müsste man den ganzen Tag mit angespanntem Bewusstsein leben. Wird dies zur Gewohnheit wird die Empfindsamkeit zerstört, ähnlich wie bei der Zunge. Es tut mir sehr leid ich kann nicht in die Stadt ziehen, denn ich liebe es einfach, dass ich mit meinem natürlichen Selbst, frischer Luft, sauberen Trinkwasser und einfacher Nahrung leben darf.“

Minh: „Es wundert mich ein wenig, obwohl Du wie ein Urmensch lebst, kennst du das Leben so tief. Weil wir Menschen unsere Lebensbasis nicht achten, deshalb schaffen wir immer mehr Chaos in unseren Leben.“

 

Kampf für Freiheit

Yilmas fragte Minh: „Ich möchte für die Freiheit von meinem Vaterland kämpfen - wie kann ich das tun?“

Minh antwortet: „Hast Du selbst denn Freiheit?“

Yilmas: „Ja, deswegen möchte ich ja für die Freiheit meines Volkes kämpfen.“

Minh: „Du willst das, wie ein Mann, der um den Durst zu löschen statt Wasser eine Tasse Salz gibt.“

Yilmas: „Nein, ich bin doch nicht blöd.“

Minh: „Ich frage Dich noch einmal - hast Du selbst denn Freiheit?“

Yilmas: „Ja, ganz bestimmt!“

Minh: „Bist Du mit Deinem Leben wirklich zufrieden?“

Yilmas: „Ja, sicher.“

Minh: „ Wieso willst Du dann noch kämpfen?“

Yilmas: „Ich möchte für mein Volk kämpfen!“

Minh: „Das heißt, dass Du doch noch nicht zufrieden sein kannst.“

Yilmas: „ Ja, aber egal, was hat das denn mit dem Kämpfen zu tun?“

Minh: „ Du hast mich am Anfang danach gefragt.“

Yilmas: „Ich verstehe nicht.“

Minh: „Wenn Du unzufrieden bist, bist Du nicht frei - wenn du keine Freiheit hast, kannst Du anderen keine Freiheit geben. Wie der Mann, der dem Durstigen eine Tasse Salz gibt.“

Yilmas: „Ich verstehe, dass ich nur, wenn ich selbst Freiheit habe, für die Freiheit meines Vaterlandes kämpfen kann. Aber das ist jetzt schwierig, weil ich nicht weiß, wie ich frei sein kann.“

Minh schreit laut: „Du bist wirklich ein Lügner!“

Yilmas schaut ihn erschrocken mit großen Augen und offenem Mund an.

Minh fängt an zu lachen: „Du bist frei!“

 

Kurz nach dieser Unterhaltung fragte Elke weiter:

Elke: „Ich verstehe nicht, warum Du den Vergleich mit dem Mann, der den Durst mit der Tasse Salz löscht, gebracht hast?“

Minh: „Wenn man unzufrieden ist, kann man nicht frei sein – oder umgekehrt, wenn man keine Freiheit hat, ist man unzufrieden. Du willst mir Wasser geben, aber hast selbst keines – also wie willst du mir welches geben?“

Elke: „Ach so! Wenn man unzufrieden ist, erschafft man einen Wunsch. Ich verstehe! Das heißt, seine Freiheit ist ein Produkt seiner Gedanken oder Meinung. Wenn die Freiheit von seiner Meinung abhängt, ist es ja keine Freiheit mehr. Wie ist dann wirkliche Freiheit?“

Minh: „Gute Frage! Wenn man weder abhängig ist von Äußerlichkeiten noch von Innerem, ist man frei.“

Elke: „Wenn das so ist, glaube ich, niemand kann wirklich frei werden.“

Minh antwortet freundlich aber laut: „Da hast Du es schon!“

Elke: „ Ach so?!“ und lacht.

 

Was wird aus den gelben Blättern?

Endlich endet der lange Winter. Er war sehr hart, weil er nicht nur lange gedauert hat, sondern auch bittere Kälte und zu viel Schnee gebracht hatte. Die Dächer vieler Gebäude sind unter dem schweren Schnee eingestürzt, und viele Pflanzen, die die Kälte nicht ertragen konnten, sind eingegangen. Jetzt, da das Wetter wieder wärmer wird, wagen die Menschen sich wieder nach draußen, und ein paar alte Leute machen kurze Spaziergänge. Es ist heller, und die Bäume strecken ihre noch kahlen Äste in den blauen Himmel. Ein paar Vögel freuen sich auf den baldigen Frühling und treiben die Bäume an, schnell ihre Blätter zu bekommen. Eine Bank, unten vor einem Baum, bleibt schweigsam; auf wen wartet sie? Menschen, Vögel und Bäume freuen sich über das milde Wetter, wieso sieht die Bank so unzufrieden aus?

Da! Zwei Leute bleiben ein Weilchen auf ihr sitzen, aber warum macht diese Bank noch immer einen leicht traurigen Eindruck?

Der Herbst reißt die gelben Blätter von den Bäumen. Nacheinander verabschieden sich diese. Sie werden vom Wind durch die Luft gewirbelt bis sie endlich irgendwo auf dem Boden liegen bleiben, wo sie vom Wind oder von den Menschen weggefegt werden. Frau Herrmann, die achtundneunzig Jahre alt war, saß auf der Bank. Der Anblick der gelben Blätter weckte in ihr ein schwer zu beschreibendes Gefühl.

Frau Herrmann: „Wo gehen die gelben Blätter hin?“

Meister Minh: „Wann haben Sie die gelben Blätter zum ersten Mal gesehen?“

Frau Herrmann: „Oh, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe es völlig vergessen.“

Meister Minh: „Können Sie mir sagen, wie viele Leute Sie in Ihrem Leben gekannt haben?“

Frau Herrmann: „Nein, ich kann mich nicht an alle erinnern. Viele von ihnen haben sicherlich schon die Welt verlassen.“

Meister Minh: „Können Sie sich an all Ihre Erlebnisse erinnern? Das geht bestimmt nicht. Seit wann wissen Sie, dass Sie leben? Sie und ich, wir können nicht alle unsere Erlebnisse behalten.“

Frau Herrmann: „Erst seit wir Bewusstsein entwickelt haben, merken wir, dass wir leben. Jenseits davon können wir uns nichts merken. Oh, wenn man sich alle Erlebnisse merken könnte!“

Meister Minh: „Nach einem Unfall hatte ein Mann seine gesamte Vergangenheit vergessen und meinte, er sei erst seit diesem Unfall am Leben. Wir haben versucht ihm zu beweisen, dass er schon seit dreißig Jahren auf der Welt ist, aber er glaubte uns nicht und hielt das für Unsinn.“

Frau Herrmann: „Das ist möglich.“

Meister Minh: „Einmal verliebte sich ein reicher Händler in ein schönes Mädchen und verabredete mit ihren Eltern sie nach drei Jahren zu heiraten. Das Mädchen aber heiratete nach drei Jahren einen anderen. Darüber war der Händler zornig und fragte den Ehemann: „Wieso hast Du meine Verlobte geheiratet?“ Der Mann antwortete: „Wieso habe ich Deine Verlobte geheiratet?“ Der Händler: „Vor drei Jahren habe ich mit ihr und ihrer Familie eine Vereinbarung getroffen.“ Der Mann: „Wie alt war Deine Verlobte?“ Der Händler: „Sie war achtzehn Jahre alt.“ Der Mann: „Also ich habe eine Einundzwanzigjährige geheiratet, nicht Dein Mädchen von achtzehn Jahren.“

Frau Herrmann freute sich und lachte: „ Schöne Geschichte, aber wer hat Recht? Ich meine der Händler.“

Meister Minh: „Wenn der Händler zum Beispiel die Achtzehnjährige heiraten will, während sie noch wie eine Raupe ist, der Mann aber die Einundzwanzigjährige, die wie ein Schmetterling ist, wer hat Recht?“

Frau Herrmanns Gesicht blüht auf wie eine Blume; wahrscheinlich hat sie die Antwort auf ihre Frage nach dem Weg der gelben Blätter gefunden.

Als nun der Frühling vollständig gekommen ist und die Bäume von jungen, grünen Blättern bedeckt werden, wartet die Bank noch immer schweigsam. Laute und stille Menschen sind früher oder später alle an ihr vorüber gegangen. Vielleicht hat die Bank jetzt verstanden, dass sie Frau Herrmann niemals wieder treffen kann. Sie ist aus dem Leben gegangen. Bald fliegt der Schmetterling aus dem Raupenleib. Ob er sich wirklich nur an seine Zeit als Schmetterling erinnert? Wenn er wüsste, dass er einmal eine Raupe gewesen ist, dann wüsste er auch, wohin die gelben Blätter gehen.

 

Was ist das Ich

Walter: „Ich sehe ein, dass mein Körper eine momentane Einheit aus vielen (vier) Elementen ist. Aber was veranlasst mich zu glauben, dass mein Ego wirklich existiert?“ Meister Minh holte ein Streichholz hervor und ließ uns genau beobachten. Er strich es langsam über die Streichholzschachtel, bis es Funken gab. Dann zündete der Schwefel und bald gab es eine Flamme. Die Flamme brannte langsam das Streichholz nieder, bis es erlosch. Der Meister zündete noch ein Streichholz an, aber bevor es abbrannte, fachte er aber eine Kerze damit an.

Das Streichholz brannte vollständig ab, die Kerze flammte jedoch weiter. Nun fragte uns der Meister: „Wer kann jetzt auf Walters Frage antworten?“ Wir blieben einige Zeit ruhig, dann gaben wir den einen oder anderen Kommentar. Der Meister antwortete dann zum Schluss mit folgender Erklärung: „Wir haben gesehen, wie die Flamme entsteht. Nachdem durch die Reibung zwischen dem Streichholz und der Schachtel ausreichend Hitze entstanden ist, entsteht auf dem Streichholz die Flamme. Wir betrachten ganz sorgfältig den Prozess: Ich möchte; ich streiche; Kontakt zwischen Schachtel und Streichholz; ausreichend Temperatur entsteht, die Flamme entsteht. Ähnlich wie Gedanke (möchte); Wirkung (streichen); Wahrnehmung (Reibung); Gefühl (Hitze); Ego (die Flamme). Beobachten wir die Flamme weiter: Das Streichholz ist wie der Körper; die Wärme im Streichholz (oder die Brennbarkeit) ist das Gefühl; der Punkt an dem die Hitze der Flamme die Wärme des Streichholzes trifft, ist die Wahrnehmung; die Hitze der Flamme erzeugt mit der Hitze des Streichholzes (gespeicherte Energie im Holz) die Flamme; das Erzeugen ist die Wirkung und die Flamme selbst ist das Bewusstsein. Die Flamme (Bewusstsein) wandelt sich unaufhörlich, die alte Flamme erlischt, eine neue Flamme entsteht. Die Hitze der Flamme ist Ursache und Wirkung zugleich, sie erzeugt mit der Hitze in Streichholz und Luft (der Energie in beiden) eine neue Flamme. Unser Bewusstsein über unser Ego ist dasselbe. Wir brauchen essen, trinken und atmen um unaufhörlich ein neues Bewusstsein zu erzeugen. Deshalb ist unser Bewusstsein, wie die Flamme, unwirklich. Sie ist ein Prozess des Ursache und Wirkungs- Prinzips (Holz, Schwefel, Reibung, Hitze, Luft usw.). Das Bewusstsein ist nur ein geistiger Vorgang, entstehend aus Gefühl, Wahrnehmung und Wille. Die geistigen Prozesse wandeln unaufhörlich; wie und wann also können wir „mein Bewusstsein“ behaupten? Das Bewusstsein entsteht aus den oben genannten Vorgängen. So etwas wie „mein Bewusstsein“, „das Ego“, „mein Ego“ kann es nicht geben. Das „Ich“ ist nichts was wir haben, das „Ich“ ist in Wirklichkeit ein immer wandelnder geistiger und körperlicher Prozess aus unzähligen Elementen. Wenn das Bewusstsein bewusst wird, ist das eine sekundäre Empfindung, die wir als „Ich“ bezeichnen. Weil die Empfindung vergänglich ist, ist sie auch nicht wahr.“ Walter erkannte noch mal: „Das muss bedeuten, dass alle Dinge, die ich bis jetzt erkannt habe, in unaufhörlichem Wandel und somit nicht wahr sind. Wenn wir eine Kerze flammen lassen, wirkt sie praktisch durch unser Denken weiter. Aber was gibt uns das Gefühl, die Flamme (Bewusstsein) existiere dauerhaft?“ Meister Minh: “Beobachte noch mal genau. Durch Reibung entsteht Hitze (Streichholz und Schachtel). Mit Schwefel, Hitze und Luft wird es eine Flamme. Durch Luft und Holz wird sie aufrechterhalten, so lange das Holz und genug Sauerstoff vorhanden sind. Ohne das würde sie erlöschen. Die Hitze entzündet sich also am Holz und Sauerstoff immer wieder an, aus; an, aus; an, aus. Dies geschieht so schnell, dass wir nur eine durchgehend brennende Flamme sehen. Der Vorgang von an und aus, entstehen und verschwinden, Tod und Wiedergeburt geschieht in einer unglaublichen Geschwindigkeit, so dass sich die Hitze wieder entzündet bevor sie abkühlt. Somit können wir sagen, dass das Bewusstsein sich immer selbst erkennt im unaufhörlichen Prozess. Und weil der Prozess so schnell von statten geht, meint es, es wäre „selbst“ unaufhörlich existent. Wenn wir unseren Körper untersuchen, werden wir verstehen, dass er ein unaufhörlich wandelnder Prozess ist. Die unsichtbaren Veränderungen erzeugen die sichtbaren Veränderungen, die unbewussten nähren die bewussten Prozesse. Der Körper braucht Energie durch atmen, trinken und essen. Ebenso wie die Flamme eine Reaktion ist mit Hitze, Sauerstoff und Holz, so wie wir es beobachteten.“

Der natürliche Reflex

Endlich hält nach einem bitteren Winter der Frühling Einzug. An den Bäumen sprießen allmählich die ersten Blätter, Pflanzen und Hecken treiben langsam ihre Knospen aus und das Gras legt gemächlich seinen grünen Teppich über die Lande. Blüten kommen zum Vorschein, Vögel zwitschern bei der Rückkehr zu ihren Nestern und singen ihre bekannten Lieder zusammen. Mensch und Natur scheinen gemeinsam zu erwachen. Angelika sagt: „Bei jedem Frühling beginnt das Leben von neuen. Die Natur ist wahrlich etwas heiliges, das alle Dinge, Menschen, Tiere und Pflanzen, erschaffen hat und jeder Existenz einen Instinkt gab um sich am Leben zu erhalten.“ Darauf lächelte Meister Minh und erwiderte ihr: „Sie sind wirklich romantisch. Alle und alles muss doch, wie wir, für das Überleben kämpfen. Ob Nutzpflanzen Unkraut oder Tiere, beständige Sorge um die Existenz bestimmt doch diese.“ Angelika setzt das Gespräch fort: „Das mag schon möglich sein, aber nur deswegen gibt es Fortschritt und Entwicklung im Leben. Zum Beispiel können die Menschen heutzutage dank ihrer Gedanken und ihres Denkens vor wilden Tieren und Naturkatastrophen in relativer Sicherheit leben.“

Meister Minh hakte ein und meinte: „Ja, dank ihrer Gedanken können Menschen denken und nicht nur die Lebewesen beherrschen sonder auch die Natur und diese sogar auch verändern. Die Menschen sind wirklich besondere Lebewesen, was sie auch wollen werden sie früher oder später auch erreichen.“ Daraufhin bemerkte Angelika nachdenklich: „Aber der Berg, der Fluss und die Pflanzen, durch was können sie ihre Existenz aufrecht erhalten?“ Meister Minh meinte: „Sicherlich müssen auch diese eine Art Gedanken dazu benutzen, aber diese sind bestimmt ganz anderer Natur, wie die von uns Menschen.“ Angelika stellte die Frage: „Aber woher haben wir unsere Gedanken?“ Meister Minh gab folgende Antwort: „Bei der Entstehung enthält jedes Ding eine Ausgangsenergie. Das Nutzbare oder Greifbare dieser Ausgangsenergie für den Menschen ist der natürliche Wille, der Instinkt. Aus dem Willen heraus können Erfahrungen gesammelt werden und daraus entstehen allmählich die Gedanken. Die Menschen schlossen sich zu Gruppen zusammen, zuerst zu Familien und daraus entstanden soziale Gemeinschaften, um ihre Fähigkeiten zu bündeln und das Leben zu verbessern. Wenn sie in Gruppen leben brauchen sie einen Häuptling, Leiter oder Gesetze und Richtlinien. Seit die Menschen in Gruppen leben, muss nicht jeder einzelne seine gesamten Fähigkeiten voll für sein alleiniges Überleben nutzen. Zum Ausgleich dafür erlernt man Gesetze und Erkenntnisse anderer, damit jeder mit jedem und in der Sozialstruktur leben kann. Je straffer wir unsere sozialen Verpflichtungen zurren umso wichtiger wird das festhalten an unsere Gedanken für uns und unsere Nachfolger. Aus unseren Gedanken stammt also unser heutiges Sozialwesen mit all seinen Verknüpfungen.“ Angelika folgerte für sich daraus: „Das heißt ja wohl auch, dass die heutigen Menschen zum Leben nur ihr Denken an Stelle einer natürlichen Reaktion gebrauchen. Sie brauchen also nur die Erkenntnisse bereits gemachter Erfahrungen zu speichern. Aber das würde ja bedeuten, dass wir uns mit jedem Tag mehr und mehr von einem Leben mit natürlichen Reaktionen entfernen, oder?“ Meister Minh´s Kommentar dazu war folgender: „Nur kann ohne natürliche Reaktion, unserem Willen, der Gedanke gar nicht erst funktionieren, denn wie könnte ein Motor ohne Ausgangsenergie (Batterie) zum Laufen gebracht werden?“ Angelika erwiderte darauf: „Ich glaube zu verstehen. Unser System ist das Produkt unserer Gedanken, die Gedanken sind das Produkt von Erfahrungen aus der Vergangenheit. Unglaublich, unser heutiges System ist das Ende einer Millionen Jahre alten, langen Wirkungskette und wir ziehen in unserem heutigen alltäglichen Leben trotzdem diese Kette noch immer hinter uns her. Mein Gott, wir leben nach abgespeicherten Erkenntnissen, ob das nicht wie die Existenz eines programmierten Roboters ist? Nur, woher oder von wem stammt unsere Ausgangsenergie?“ Meister Minh: „ Leben Sie mit ihrem Willen die Kette zurück, dann werden Sie eine Antwort finden.“

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